Ruth wollte auf keinen Fall so werden. Schon damals und im Lauf der Zeit wurde Ruth mehr und mehr klar, dass Bildung, Neues lernen, sich selbst weiterbilden das beste Mittel gegen Vergesslichkeit ist und das Gehirn frisch hält.
Nachts, in meiner Wohnung unterwegs, mache ich kein Licht, das fordert Konzentration, mein Hirn und schärft meine Augen“ meint Ruth und kommt immer noch ohne Brille aus, bis 10 Punkt Schriftgröße, wie Sie mir verschmitzt erzählt. „Mein Leben lang war ich sportlich aktiv, Handball, Schwimmen, 400 m kraulen zwei Mal in der Woche und nicht plantschen, Gymnastik, Tai Chi und wandern gehörte zu meinem Leben“. Ruths letzte große Tour ging auf die Ulmer Hütte, 2283 m und auf die Valluga, 2809 m. Hinauf gab es kein Problem, aber runter, oh jeh, runter war es eine Herausforderung, das geht sehr auf die Knie und wenn die Knie schon knapp 70 sind, sollte man sich das gut überlegen.
Musik, das ist nach wie vor ein Genuss
Sich nicht überschätzen, aber auch nicht unterfordern, meint sie kommt ohne Brille aus, bis 10 Punkt Schriftgröße, wie Sie mir verschmitzt erzählt. Ruth vehement. „Torschlusspanik, doch das kenne ich schon“, sagt Ruth, „mit 60 hatte ich Anflüge davon und auch die Angst vor Krebs ist mir bekannt, über den Schrecken Alzheimer habe ich nachgedacht, aber in Grübeln zu verfallen ändert nichts an der Tatsache: Altern gehört zum Leben“. Die Motorik der Hände hat nachgelassen, Feines zu erledigen ist schwierig, aber der Morgenkaffee landet noch nicht im Schoß. „Das Hörvermögen ist noch ganz gut, Gedudel nebenher gab und gibt es nicht für mich, konzentriert höre ich Musik, das ist nach wie vor ein Genuss. Presse, Radio und TV informieren mich zu Tagesgeschehen und Politik. Lügen höre und erkenne ich immer noch, am Stottern und an verschlungenen Wiederholungen. Seit der künstlichen Hüfte ist meine Bewegungsfreiheit eingeschränkt, gehen ist mühsam geworden, das bedaure ich am meisten, ich würde so gerne durch die Stadt ziehen, aber das kann ich nicht mehr“.
Presse, Radio und TV informieren mich zu Tagesgeschehen und Politik. Lügen höre und erkenne ich immer noch.
Ein langes, volles, erfülltes Leben
Ruth hat immer gearbeitet, sie hatte eine Ausbildung in der Landwirtschaft und sich mal um einen Hühnerhof gekümmert. Später konnte sie auf die Handelsschule, war in Industriebetrieben und Verlagen mit Korrespondenz, Werbung, Kundenbetreuung und Büroorganisation beschäftigt. Unter anderem hat Ruth auch mal für das Oberkommando des Heeres mit Blut- und Leberwurst-Produzenten korrespondiert, die Haltbarkeit musste gewährleistet sein, damit die Soldaten nicht schon vorzeitig durch Lebensmittel-Vergiftung umfielen. Mit 55 absolvierte Ruth das Studium Pädagogische Psychologie und arbeitete viele Jahre als Betreuerin mit geistig Behinderten. Durch diese Arbeit ergab sich ein Kontakt zu einer Bibliothekarin, die sie zum Schreiben brachte. Ruth schreibt bis heute für den ZeitZeugenBrief und andere Publikationen und redigiert Texte, „das ist heute mein Spazieren gehen, ich erinnere mich und schreibe das auf.“ Einen Text von Ruth Eichenhofer finden Sie hier. Auch im Weiteren wird evergreener Texte von Ruth publizieren.
Ja und wie geht das jetzt am besten mit dem Altern, alt werden und alt sein?
„Alter ist nichts zum fürchten. Kopf und Körper bewegen, lernen, Trägheit im Denken macht träge, neugierig und aufmerksam bleiben ist wichtig; Anteil nehmen am Drumrum und Austausch mit Anderen; Freude an kleinen Dingen hilft und gibt einem Zufriedenheit; die eigenen Möglichkeiten real einschätzen und sich selbst fordern hält einen auf Trab, in jeder Hinsicht“. Selbstständigkeit und eigenverantwortlich das Leben einrichten rät Ruth vor allem den Frauen und nicht nur nach dem Mann als Versorger schauen. Eine Französisch-Lehrerin aus Schultagen hat Ruth bewundert, die war im Gegensatz zum damaligen Frauenbild, emanzipiert und „frei“, ansonsten „kam ich mit Frauen nicht gut aus, die waren mir meist zu langweilig“. „An den Tod denke ich nicht, aber wenn es so weit ist, wünsche ich mir ein schnelles, leidloses Sterben.“ Auch das Gewese der Bestattung ist Ruth unangenehm. „Ich lebe schon so lange, ein anonymes Grab ist völlig ausreichend, alles geht doch mal kaputt“.
Meine Waschmaschine ist schon 15 Jahre alt und wäscht prima
“Was für Waschmaschinen ein gigantisches Alter ist. Warum sollte das bei mir und meinen 92 Jahren anders sein, zumal die Waschmaschine sich nicht großartig hervor getan hat mit Weiterbildung oder Tai Chi, aber ich gebe ihr immer Calgon, ich gehe gut mit ihr um“. Ruth war verheiratet, hat zwei Söhne groß gezogen und das Büro des Malerbetriebs ihres Ehemanns organisiert. Nach dem Tod ihres Mannes ist Ruth nicht völlig unglücklich in Depressionen versunken. „Endlich Witwe“ meint sie heute lachend und hat den Filmtitel im Kopf, und – Ruth Eichenhofer (†) ist durchgestartet, schon vor vielen Jahren, in ein neues, immer noch spannendes und sehr lebendiges Leben.
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