Das war’s dann auch schon. Unsere zeitgenösssiche und aufsehenerregende Vielfalt der Hörfunk-Themen. Bezeichnungen wie ‚Dudelfunk‘ scheinen hier schon verharmlosend. Nun, es gibt aber auch unter den Formaten ein paar Ausnahmen. Die heißen Spartensender. Dort findet sich auch etwas entspanntes für Sie und für mich. In irgendeine Sparte passen wir schließlich alle.
Für mich gibt es auch eine Sparte. Eine Sparte die vorwiegend gut zum Autofahren ist. Kann es überhaupt eine andere Musik-Sparte bei der Fahrt im Stadtverkehr geben, als die meine? Wie kann der Mensch überhaupt anderes als E‑Musik beim Autofahren ertragen? Bei mir ist KlassikRadio feste Grundeinstellung. Auch schon beim Kaltstart. Sie werden nun sagen: so, der hat doch seine Sparte gefunden.
Kann er doch zufrieden sein! Jetzt braucht er doch den Dudelfunk nicht mehr zu hören. Genau das habe ich mir auch gedacht! Doch es kam anders. In regelmäßiger Folge werde ich nun bei KlassikRadio an jeder Ampel genötigt: “Bleiben Sie entspannt…bitte bleiben Sie entspannt (…mit KlassikRadio)”. Ständig wird von von mir verlangt, dass ich mich beruhigen soll. An sich ja nichts Schlechtes, mitten im Stadtverkehr. Doch je häufiger das Mantra in kurzen Abständen abgenudelt wird, umso weniger kann ich mich wirklich dabei entspannen. Das ist noch nicht das ganze Problem! An das autogene Training via Dauertrailer könnte ich mich schon gewöhnen. Was mich wirklich aufregt und dabei auch fürchterlich unentspannend ist, ist die Tatsache, was für aufreibende und tosende Musik gleich nach der Ansage eingespielt wird. Dabei kann sich keine Sau entspannen: Pauken, Trompeten, Fanfaren, hysterische Hymnen und das Ganze noch im finalen Brei, in sieben bis acht Abgängen. Ich finde, das geht gar nicht.
Die Hoffnung auf eine melancholische Moll-Sonate
Die zur Nervosität verkommene Stadtfahrt sieht dann durchweg so aus, dass ich erst nach Abschalten dieser höllischen und gewalttätigen Wagner‑, Dvorák- oder auch Straußens Dur-Ouvertüren, die eigentlich wahre Entspannung erreiche. Ich zappe einfach aus! Schon nach kurzer Zeit der klassiklosen Ruhe und völligen Entspannung, treibt es mich dann doch und ich schalte das Radio wieder ein. In der waghalsigen Hoffnung auf eine kleine, leichte vielleicht auch melancholische Moll-Sonate. Als alter DJ denke ich mir, nach jedem Krach sollte in der Regel wieder was Beruhigendes folgen. Pustekuchen! Vielleicht mal irgendwann nach 22:00 Uhr. Aber nicht in der Prime-Time des Berufsverkehrs.
Die Orchester-Feuerwerke in früheren Konzertsälen wurden für andere Ohren geschrieben. Damals war jeder Konzertbesuch noch ein einzigartiger Anlaß.
Wer kann mir sagen, warum das so ist? Warum wird dem Hörer so ein Unfug erzählt. Entspannen bei lärmender Chaoten-Klassik. Vielleicht liegt es daran, dass der gewöhnliche E‑Musik-Hörer unter Klassik landläufig nur C‑Dur versteht? Ich habe mir sagen lassen, das soll so sein in Deutschland. Nicht so moll-ig wie in vielen unserer Nachbarländer. Bei uns kann man mit Moll ganz schlecht umgehen. Moll ist ja auch so furchtbar traurig. Ernste Musik zwischen den Tönen hören oder leise schwebende Stimmungen reflektieren, das will hier keiner. Hier wird Onkel Rieu‘s Operetten-Klassik für klasse Hopsala-Stimmung oder silbereisernes Dauer-Klatschen für die Volksseele vorgegeben.
Die Art E‑Musik, die nicht mehr in unsere Zeit paßt
Schade, nun hört es sich so an, als ob ich anscheinend mit meinem KlassikRadio doch nicht beim richtigen Spartensender gelandet bin. Dieser Sender ist eben auch nur für den breiten Massengeschmack angelegt. Hier läuft zur besten Sendezeit, ebenso wie auf den Pop-Sendern, eine abgegriffende, abgehörte und zuweilen ungenießbare Bolero-Paukenklassik. Keine Perlen. Wenig Leichtes oder besinnlich Zeitloses aus barocken Ursprüngen unserer Konzertmusik. Auch im E‑Musik-Bereich gab es künstlerische Epochen, die nicht unbedingt zum Segen der Musik beitrugen. Ganz genauso wie in der zeitgenössischen Pop-Musik. Wer mir erzählen will, bei Musik aus vorigen Jahrhunderten sei selbstverständlich alles wertvoll und hörenswert, ist für mich ein spinnerter Klassik-Asket. Ich sag’ es mal ganz provokant: Es gibt auch E‑Musik, die einfach nicht mehr in unsere Zeit paßt. Die Orchester-Feuerwerke vergangener Konzertsäle wurden für andere Ohren geschrieben. Damals war jeder Konzertbesuch ein einzigartiger Anlaß. Für manche sogar nur einmal im Leben. Dort wollte man Pauken, Trompeten mit mindestens 10 Abgängen erleben. Das kann heute niemand mehr nachempfinden. Wir werden an jedem Ort mit akustischem Spam zugeklatscht. Der Allegro-Paukenkrach der 60/70/80er Jahre des vorletzten Jahrhunderts im sogenannten KlassikRadio hat in der heutigen Zeit eigentlich nicht mehr viel zu suchen. Das betrifft auch den Wagner-Punk dort unten aus Bayreuth.
2 Kommentare zu: Bleiben sie bloß entspannt!
das ist überall auf vielen klassik-programmen so. Moll mögen viele nicht. Ich find das auch oft unangenehm
Es gibt keine Radioprogramme mehr wie früher. Alles eineSosse.
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