Damals hatten die Schüler gleicher Konfession zweier Parallelklassen gemeinsam Reli. Ich hatte mich schon mit 15 über die Jungdemokraten politisiert und wollte ’68 an der Schülerdemo meiner Schule teilnehmen, woran ich aber aufgrund meines Alters verhindert wurde.
Habe mich darüber unbändig geärgert und kämpfte natürlich für das Selbstbestimmungsrecht der Jugendlichen. Damals war das Volljährigkeitsalter noch 21 und ich riskierte noch körperliche Züchtigungen von den Eltern. Worum es bei den Demos damals ging, ist in den Chroniken der Zeit nachzulesen. Ich erinnere mich nur noch vage daran. Mir reichte es zu wissen, dass 85% des Kapitals in den Händen von nur 5% der Bevölkerung lag, oder so ähnlich, die USA einen Abrüstungsantrag der Sowjetunion ablehnte und die NPD wie wild plakatierte. Später stritt ich für die Transparenz der mündlichen Noten, die damals noch geheim gegeben wurden. Die Lehrer mussten in den sauren Apfel der Motivation beißen, da ich ihnen eine diesbezügliche Aussage des Kultusministers aus einem Spiegelinterview unter die Nase hob.
Seine Morde sind mir Rätsel und Lehre zugleich: wohin Träumereien führen können.
Es folgten provozierende, eigenfinanzierte Schülerzeitungen, an denen ich maßgeblich beteiligt war. Eine hatte den bezeichnenden Namen “action” auf 3/4 A4 Format mit den Titelseiten Bob Dylan und Che Guevara. Hierfür besorgte ich von der Ettlinger Geschäftswelt die Werbungsanzeigen zur Finanzierung. Später, mit Christian wurde “action” zu “A 105”, von einigen auch “Anarcherix” genannt. Es war eine beidseitige A1-Format Plakatzeitung, die billiger und leicht verklebbar war. Titelseiten waren Angela Davis und ein gebrochenes Gewehr. Christian führte hier die konsequente Kleinschreibung ein und schrieb wohl auch das meiste. Da keinesfalls viele unserer Altersgruppe gesellschaftlich engagiert waren und Christian auf meiner Wellenlänge lag, wurden wir ca. 2 Jahre lang beste Freunde. Einige seiner damaligen Einstellungen und unsere Diskussionen haben mich beeindruckt und geprägt. Christian Klar war damals radikaler gewaltfreier Anarchist, der genau wie ich davon träumte “die Welt zu verbessern” und “Berufsrevolutionär” zu werden. Ein Weg dorthin sollte die Herausgabe einer revolutionären Zeitung sein. Ich kaufte mir also auf einer Versteigerung eine Druckmaschine, die leider nie funktionierte. Später bemühten wir uns zufällig um den gleichen Drucker in einem Geschäft. Wir hörten aber auch gern die gleiche Musik, z.B. verrockte Klassik, 33 Umdrehungen Orgelkonzerte auf 45 Umdrehungen und Degenhardt.
Zunehmender Zeitaufwand für meine Freundin
Wir arbeiteten als Tagelöhner zusammen für eine kommunale Arbeitsvermittlung. Dort vertrieben wir uns, neben der harten Arbeit, die Zeit mit Aphorismen oder dummen Sprüchen. Meine meist sexuell gefärbten waren ihm ein wenig zu “penetrant”. Z.B. er: man muss in der Schule immer so gut sein, dass die Lehrer einem nichts können; ich: man muss so gut sein, dass sie einem mal können…! Dem Johannes Thimme, der eine niedrigere Klasse besuchte und später mit einer selbstgebauten Bombe in die Luft flog, waren wir damals schon oder noch zu radikal. Die Freundin von Christian, Adelheidt Schulz, habe ich als eines der schüchternsten Mädchen, die ich je kannte, kennengelernt. Zunehmender Zeitaufwand für meine Freundin, sein übertriebenes Engagement für den Baader-Meinhof-Komplex und sein Untertauchen 2 Jahre später, ließen uns aus den Augen verlieren. Seine Morde sind mir Rätsel und Lehre zugleich: wohin Träumereien führen können.
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